„Berufsopponenten“ – Eine bekannte Spezies wird erstmalig untersucht
Einführung des UMAG bringt Licht ins Dunkel
Zum 1. November 2005 trat das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) in Kraft. Neben anderen Regelungen legt es fest, dass zur Anfechtung nur berechtigt ist, wer bereits vor Einberufung der Hauptversammlung Aktionär war. Daneben sind alle Vereinbarungen zur Vermeidung und zur Beendigung eines Klagezulassungsverfahrens bzw. einer Anfechtungsklage vollständig bekannt zu machen. In der Regel erfolgt das im elektronischen Bundesanzeiger. Diese seit mehr als einem Jahr verfügbare und umfangreiche Datenbasis hat die max. Equity Marketing GmbH erstmalig ausgewertet. Gerade im Hinblick auf die anstehende Hauptversammlungssaison können die Ergebnisse für jedes Organmitglied einer börsennotierten Aktiengesellschaft wertvolle Informationen enthalten.
Der „Berufsopponent“ und das Gesetz
Die Intention des Gesetzgebers für die öffentliche Bekanntmachung Prozess vermeidender Vereinbarungen war, die deutsche Aktienkultur vor allzu ambitionierten „Berufsopponenten“, auch als „Berufsaktionäre“ bezeichnet, zu bewahren. In die gleiche Richtung zielt die neue gesetzliche Anforderung, dass nur anfechten und damit auch klagen kann, wer bereits zum Zeitpunkt der Einberufung zur Hauptversammlung Aktionär ist. Ob diese Regelungen den gewünschten Erfolg erzielten, war Gegenstand der Untersuchung, die vom GoingPublic Magazin unterstützt wurde.
Das Geschäftsmodell
In der Regel suchen „Berufsopponenten“ bereits im Vorfeld nach interessanten Kandidaten. Dazu gehören Aktiengesellschaften, die sich in einer wirtschaftlich schwierigen Situation befinden und bei denen die schnelle Eintragung der auf der Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegten Kapitalmaßnahmen ins Handelsregister die erfolgreiche Sanierung sichern soll. Ein wichtiges Feld sind auch Squeeze-outs, Übernahmen und andere Fälle, wo an Minderheitsaktionäre eine Abfindung gezahlt werden soll. Erfahrungsgemäß versucht der Großaktionär, die Zahlungen an die Minderheitsaktionäre durch entsprechende Gutachten möglichst gering zu halten. Folgt dann aufgrund von Klagen durch „Berufsopponenten”, die sich vorher mit Aktien eingedeckt haben, ein Vergleich oder Urteil mit einem höheren Abfindungspreis, profitieren davon alle Aktionäre. Neben den Aktionärsvereinigungen, die gerade auf diesem Feld aktiv sind, erfüllen die „Berufsopponenten” hier eine durchaus sinnvolle Funktion zum Schutz der Minderheitsaktionäre. Daneben suchen einzelne „Berufsopponenten” aber auch nach Formfehlern in der Einladung zur Hauptversammlung, beschaffen sich gezielt Informationen, bereiten sich zudem intensiv auf ihren HV-Auftritt vor und provozieren nicht selten Formverstöße und Auskunftspflichtverletzungen, auf diw sie dann Anfechtungsklagen stützen. Hintergrund dieser Aktionen auf Hauptversammlungen sind häufig (aber sicherlich nicht automatisch) private finanzielle Interessen. Obwohl Zahlungen an einzelne Anteilseigner offiziell nicht erlaubt sind, werden von den betroffenen Unternehmen Mittel und Wege gesucht, um derartige Probleme „diskret“ zu lösen. Dies kann anstatt einer direkten Zuwendung an den klagenden oder drohenden Aktionär auch eine Honorarzahlung an einen von dem Aktionär beauftragten Anwalt sein. Nicht selten geht es um fünfstellige Beträge.
Nebenintervention
Das UMAG hat auch die Frist für Nebeninterventionen auf einen Monat nach Bekanntmachung der Anfechtungsklage in den Gesellschaftsblättern beschränkt. Wer die sprunghafte Zunahme der Nebeninterventionen ab dem Tag, an dem die Gesellschaft den Anfechtungsklägern Vergleichsbereitschaft signalisiert hat, in der Vergangenheit erlebte, der weiß diese Änderung zu schätzen. Die Nebenintervention ermöglicht es Aktionären, als Nebenkläger einem bereits laufenden Verfahren beizutreten.
Bisherige Auswertungen
In der Vergangenheit gab es immer wieder Berichte über „Berufsopponenten”, die mangels einer zentralen Quelle auf persönlichen Erfahrungen von HV-Dienstleistern oder Viel-HV-Besuchern basierten. In diesen Veröffentlichungen wurde mehrfach angedeutet, dass hinter einzelnen „Berufsopponenten” oft ein System oder ein „Geschäftsmodell“ stecke, das allerdings nicht immer gleich erkennbar ist. Dazu finden sich im Internet auch umfangreiche Listen einschließlich Beschreibungen von Einzelfällen. Erst mit der Einführung des UMAG und des elektronischen Bundesanzeigers steht aber eine verlässliche und belastbare Datenquelle zur Verfügung, die eine effiziente und systematische Auswertung ermöglicht.
Untersuchungsansatz, -zeitraum und Grundgesamtheit
Ziel der Untersuchung war, neben den Namen der Kläger (natürliche und juristische Personen) auch die jeweils beauftragten Anwälte bzw. Anwaltskanzleien festzustellen und auszuwerten. Weitergehende Recherchen in Unternehmensdatenbanken und detaillierte Analysen sollten zudem bestehende Verbindungen und erkennbare Strukturen herausarbeiten. Der Untersuchungszeitraum umfasst alle Veröffentlichungen im elektronischen Bundesanzeiger zu gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen bei Aktiengesellschaften zwischen Einführung des UMAG, also dem 01.11.2005, und dem 02.01.2007. Die den Veröffentlichungen zugrunde liegenden Hauptversammlungen können dabei auch vor Einführung des UMAG liegen (z. B. die außerordentliche Hauptversammlung der AG Kühnle, Kopp & Kausch vom 14.09.2005). Die erste Veröffentlichung eines untersuchten Vergleichs erfolgte am 24.11.2005. Obwohl davon auszugehen ist, dass im Untersuchungszeitraum einzelne Vergleiche aufgrund bestehender Satzungsregelungen ausschließlich in der Print-Ausgabe des Bundesanzeigers erschienen, wurden diese Fälle in der Studie vernachlässigt. Die Daten aus dem elektronischen Bundesanzeiger lieferten damit eine ausreichende und repräsentative Grundgesamtheit:
- Beklagte Unternehmen: 40
- Untersuchte Veröffentlichungen: 47
- Davon Beendigung der Klage durch Vergleiche: 41
- Davon zurückgenommene Klagen: 6
Die Kläger
Die in Tab. 1 und 2 auf S. 51 genannten Namen und Firmen sind ausschließlich Ergebnis der Auswertungen des elektronischen Bundesanzeigers und stellen keine Wertung dar. Ebenso illustrieren die quantitativen Angaben ausschließlich die Untersuchungsergebnisse. Insbesondere soll mit der Darstellung der Fakten aus der Untersuchung nicht unterstellt werden, dass es sich bei den hier genannten Personen und Firmen um „Berufsopponenten” handelt. Bei den Klägern wurde zwischen natürlichen Personen und Firmen unterschieden. Neben den Klagen wurden auch die Nebeninterventionen berücksichtigt. Sie sind bei der Anzahl der Klagen jeweils in Klammern vermerkt. Als Ergebnis der Klagen sind in der Tabelle jeweils auch Einzelbeispiele zu veröffentlichten Vergleichszahlungen enthalten.
Top-10 Einzelpersonen
Tab. 1 auf S. 51 zeigt die zehn Personen, die im Untersuchungszeitraum am häufigsten als Kläger auftraten. Sie haben insgesamt 103 Klagen und 8 Nebeninterventionen angestrengt. Die für jeden hier genannten Kläger beispielhaft angegebenen Vergleiche sind im Detail im elektronischen Bundesanzeiger (www.ebundesanzeiger.de) nachzulesen. In der Regel handelt es sich bei den Erstattungszahlungen um fünfstellige Beträge. Die Zahlungen sind zudem abhängig vom Streitwert und setzen sich zusammen aus Verfahrensgebühr, Einigungsgebühr, Terminsgebühr, Auslagen und Reisekosten. Da die Aufschlüsselung nicht in allen Fällen nachvollziehbar war, verzichten wir an dieser Stelle auf eine Publizierung der Beträge.
Top-10 Firmen
In Tab. 2 auf S. 51 sind zehn juristische Personen aufgelistet, die im Untersuchungszeitraum am häufigsten als Kläger oder Nebenintervenient auftraten. Sie haben insgesamt 107 Klagen und 6 Nebeninterventionen angestrengt.
Fazit
Die durch den Gesetzgeber geforderten Veröffentlichungen im elektronischen Bundesanzeiger und die Einführung des elektronischen Unternehmensregisters bilden eine gute und belastbare Datenbasis und sind zugleich unanfechtbare Quelle für eine wissenschaftliche Auswertung. Die Ergebnisse zeigen, dass durch effiziente Nutzung und systematisches Auswerten dieser erstmalig elektronisch zur Verfügung stehenden Daten eine bisher nicht gekannte Transparenz zu den handelnden Personen und Firmen sowie deren Bezug zueinander aufgezeigt werden kann. Wer das komplexe Gesetz- und Regelwerk für börsennotierte Unternehmen geschickt zu nutzen weiß, kann mit Klagen im Erfolgsfall durchaus eine gute Zusatzrendite auf sein Investment erzielen. Dass die vermeintliche Hürde, bereits vor der Einberufung der Hauptversammlung Aktionär zu sein, kein wirkliches Hindernis darstellt, liegt angesichts der Untersuchungsergebnisse auf der Hand. Schließlich genügt eine einzige Aktie eines Unternehmens, um als Kläger aufzutreten. Da die Hauptversammlungssaison gerade in vollem Gange ist, werden die meisten Vergleiche aus den Anfechtungsklagen vermutlich erst gegen Jahresende veröffentlicht werden. Eine Auswertung der Veröffentlichungen des Kalenderjahres 2007 dürfte also ebenfalls wieder interessante Details ans Tageslicht bringen.