Corporate Governance als Entscheidungshilfe bei Investitionen
Corporate Governance, seit Bekanntmachung des gleichnamigen Kodex im August 2002 in aller Munde, war in Deutschland im Jahr 2003 das meist gebrauchte Wort in der betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis.
Auch im laufenden Jahr bewegt es nach wie vor die Gemüter, und die steigende Zahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema unterstreicht das ungebrochene Interesse. Unter dem Schlagwort ,,Corporate Governance“ versteht man den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für eine verantwortungsvolle, auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensleitung und -kontrolle.
Die Umsetzung der umfangreichen Kodex-Regelungen zu den Themen Aktionäre und Hauptversammlung, Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat, Transparenz sowie Rechnungslegung und Abschlussprüfung gestaltet sich für kleinere und mittlere Aktiengesellschaften nicht immer einfach. Neben der Analyse der gegebenen unternehmensinternen Verhältnisse sind zur Implementierung des Kodex organisatorische Anpassungen erforderlich, die gegebenenfalls auch Änderungen und Ergänzungen der Satzung und damit einen Beschluss durch die Hauptversammlung erfordern. Es bedarf also für die Umsetzung einer langfristigen und strukturierten Planung des Änderungsbedarfs und der dafür notwendigen Ressourcen. Eine groß angelegte, unabhängige Studie zur Corporate Governance deutscher Small Caps bei 128 börsennotierten Unternehmen durch die Frankfurter Ergo Unternehmenskommunikation zeigte, dass die SDax-Unternehmen dank einer insgesamt ausführlicheren and offensiveren Aufbereitung des Themas in der Finanzkommunikation am besten abschnitten. Als einziges Unternehmen erhielt die CE Consumer Electronic das Prädikat ,,vorbildlich“.
Kodex zeigt Schwächen
Aus der Sicht der Praxis, vor allem im Aufsichtsrat, zeigt der Kodex einige Schwächen. Insbesondere steht die Besetzung des Aufsichtsrats mit fachlich und wegen ihrer Erfahrungen für die Aufgabe der Überwachung der Geschäftsführung des Unternehmens prädestinierten ehemaligen Mitgliedern des Vorstandes in einem Spannungsverhältnis zu der Forderung des Kodex nach Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Hier besteht die Gefahr, dass eine Überbetonung der Unabhängigkeit zu einem Mangel an Kompetenz führt. Auch die geforderte Einrichtung von Ausschüssen wirft in der täglichen Praxis des Aufsichtsrats Fragen auf. Gerade bei kleineren Unternehmen wird das Aufsichtsorgan gemäß der in §95 des Aktiengesetzes geforderten Mindestgröße besetzt. Es erscheint daher wenig sinnvoll, in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat separate Ausschüsse zu bilden.
Die geforderte erfolgsorientierte Vergütung des Aufsichtsrates war bisher schon umstritten und wird durch das am 16. Februar 2004 verkündete BGH-Urteil, wonach Aktienoptionen als Vergütungsbestandteil für Aufsichtsräte unzulässig und nur andere Erfolgsbeteiligungen erlaubt sind (AZ. II ZR 316/02), erheblich eingeschränkt. Die Qualität der Kontrolle steigt nicht durch eine Erfolgsbeteiligung. Gerade bei kleineren Unternehmen findet effiziente Kontrolle oft über andere Mechanismen statt als in Großkonzernen. Sitzt beispielsweise der Firmengründer und Mehrheitsaktionär im Aufsichtsrat, benötigt er keine zusätzlichen Anreize durch Aktienoptionen oder Wandelanleihen.
Vor allem die Implementierung von Anreizmechanismen für das Management, wie z.B. Aktienoptionsprogramme, ist für kleine und mittlere Gesellschaften mit nicht unerheblichen Kosten und zusätzlichem Verwaltungsaufwand verbunden und sollte daher besonders sorgfältig abgewogen werden. Da Small Caps in der Regel eine sehr schlanke Administration haben, muss zur Umsetzung häufig externes Personal mit entsprechender Expertise hinzugezogen werden. Bei Bilanzierung nach den ab 2005 für alle europäischen börsennotierten Gesellschaften geltenden International Financial Reporting Standards (IFRS) können auch die zukünftigen Ergebnisse durch die Ausgabe von Optionen erheblich beeinflusst werden: mit dem am 19. Februar 2004 verabschiedeten IFRS-2-Standard (”Share-based Payment“) ist für Geschäftsjahre ab dem Jahr 2005 die ergebniswirksame Bilanzierung von Aktienoptionen vorgeschrieben. Dass Aktienoptionen darüber hinaus nicht immer ein geeignetes Instrument für die gewünschte Anreizwirkung darstellen, zeigt die aktuelle Diskussion um die Optionsprogramme von DaimlerChrysler und Deutsche Telekom.
Zankapfel Individualisierung
Zwei Vorschriften des Deutschen Corporate Governance Kodex in der zurzeit gültigen Fassung vom 21. Mai 2003 dürften die Diskussionen in der diesjährigen Hauptversammlungssaison besonders dominieren: die Punkte 4.2.4. und 5.4.5., die sich mit der individualisierten Offenlegung von Vorstands- und Aufsichtsratsbezügen befassen. Hier wurde gegenüber der Erstfassung aus dem „sollte“ jeweils ein „soll“, gemäß der Terminologie des Kodex aus einer „Anregung“ eine „Empfehlung“, von der abzuweichen nach §161 AktG offenlegungspflichtig ist.
In den neu gefassten 4.2.4. und 5.4.5. des Kodex sehen Manager eine von Sozialneid getriebene Begierde, die keine kapitalmarktrelevante Zusatzinformation enthält. Andere bezeichnen sie als den häuslichen Ehefrieden störende Regelung. Wiederum andere prophezeien damit eine Nivellierung der Gehaltsstruktur in den Führungsgremien.
In Europa wird noch diskutiert
Gerade weil die meisten großen börsennotierten Unternehmen sich dem Ausweis der Vorstandsgehälter mit den genannten Argumenten verschließen, besteht hier für die SmallCap-Unternehmen die beste Möglichkeit, vorbildliche Transparenz gegenüber den Anteilseignern zu demonstrieren und möglicherweise verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Es ist allerdings durchaus ratsam, auch wenn es entsprechende Beschlüsse von Vorstand und Aufsichtsrat gibt, von jedem Organmitglied vor der Veröffentlichung zusätzlich die individuelle Zustimmung einzuholen, sofern diese nicht schon, z.B. im Anstellungsvertrag, generell erteilt wurde. Dadurch kann die Gesellschaft spätere Streitigkeiten wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Organmitglieder vermeiden.
Im übrigen zeigt die aktuelle Entwicklung, dass der individualisierte Ausweis – wenn nicht über den Kodex, dann durch eine Ergänzung des Gesetzes – kommen wird. Nicht nur weil dies international üblich ist, sondern weil der Aktionär Anspruch darauf hat, zu erfahren, was diejenigen verdienen, die mit seinem Geld wirtschaften, wenn er schon die Bezüge nicht selbst festlegen kann. Auf europäischer Ebene wird aktuell noch intensiv diskutiert, was in Großbritannien schon umgesetzt ist. Dort entscheiden die Gesellschafter bereits über die Bezüge ihrer Vorstände.
Vom Kapitalmarkt honoriert
Investoren wollen die Sicherheit, class mit ihrem Geld wertsteigernd gewirtschaftet wird. Kreditgeber wollen sicher sein, ihr geliehenes Geld nebst Zinsen zurück zu erhalten. Wie praktische Studien eindrucksvoll belegen, wird wirtschaftliches Handeln gemäß den Rahmenbedingungen des Corporate Governance Kodex vorn Kapitalmarkt positiv honoriert und reduziert die Kosten für die Beschaffung von Eigen‐ und Fremdkapital. Allerdings gilt besonders für die finanzielle Beteiligung an Small-Cap-Unternehmen: .,Gute Corporate Governance ist kein wesentlicher Grund, in ein Unternehmen zu investieren, fehlende Corporate Governance ist aber ein wesentlicher Grund, es nicht zu tun.“