Der erweiterte Bestätigungsvermerk
Reporting
Der Bestätigungsvermerk ist bisher ein einheitliches Formeltestat. In Jahres- und Konzernabschlüssen für Geschäftsjahre, die nach dem 17.6.2016 beginnen, muss der Wirtschaftsprüfer (WP) nach den neuen EU-Anforderungen seinen Bestätigungsvermerk individuell ausformulieren.
Künftig muss der WP die besonders wichtigen Prüfungssachverhalte, auch Key Audit Matters (KAM) genannt, im Bestätigungsvermerk ausführlich darstellen. Damit werden bisher nur im Unternehmen bekannte Informationen der Allgemeinheit zugänglich gemacht: Es ist sicher ein Mehrwert an Information zu erfahren, bei welchen Abschlussangaben sah der WP die höchsten Fehlerrisiken, mit welchen Prüfungshandlungen hat er diese Risiken adressiert und durch welche Beobachtungen und Feststellungen vergewisserte er sich, dass der geprüfte Abschluss frei von wesentlichen Fehlern ist.
Auswirkungen auf WPs
Grundsätzlich zielen die neuen Regeln ausschließlich auf eine erweiterte Berichterstattung über die Prüfung ab und sollten daher den Aufwand für die Prüfungshandlungen nicht beeinflussen. Die Prüfer sind aber gefordert, intensiv mit dem Aufsichtsrat gemeinsam effektive Möglichkeiten zur Erhöhung der Prüfungssicherheit zu erörtern.
Da kommt den KAMs als den relativ betrachtet wichtigsten Fehlerrisiken in meist komplexen Unternehmen bzw. Konzernen eine wichtige Bedeutung zu. Erfahrungen aus Großbritannien, wo bereits seit zwei Jahren ein erweitertes Testat vorgeschrieben ist, zeigen, dass bei börsennotierten Unternehmen in der Regel über drei bis fünf KAMs berichtet wird. Interessant wird auch sein, wie sich die jeweiligen Prüfungsschwerpunkte von Jahr zu Jahr ändern.
Auswirkungen auf Bilanzaufsteller und Kontrolleure
Die Geschäftsleitungen werden die entsprechenden Berichtsangaben künftig vermutlich noch sorgfältiger und ausführlicher verfassen, da die Aktionäre in Zukunft den Bereichen Rechnungslegung, rechnungslegungsbezogenes Risiko und Risikomanagement mehr Aufmerksamkeit schenken werden. Insbesondere wird die Verantwortung des Vorstandes für vorbeugende Maßnahmen wie z. B. effiziente interne Kontrollsysteme f̈ür die als KAM identifizierten Themenbereiche künftig eine größere Rolle bei der Kommunikation mit den Aktionären spielen.
Parallel dazu kommen das Audit Committee und der Aufsichtsrat nicht umhin, auf die Key Audit Matters besonders einzugehen und dies in ihrem Bericht über das Ergebnis der Prüfung an die HV ausführlich zu erläutern.
Auswirkungen auf die IR
Die Aktionäre haben in der Regel keinen Zugriff auf unternehmensinterne Informationen. Daher stellt das erweiterte Testat für Anteilseigner einen Mehrwert dar. Es wird sichtbar, was eine hochwertige Qualitätsprüfung auszeichnet. Bestenfalls stärkt die erhöhte Transparenz der Abschlussprüfung das Vertrauen in die geprüften Abschlüsse.
Es ist aber durchaus vorstellbar, dass die Investoren mit der neuen Berichtspflicht eine Reduzierung der Erwartungslücke ableiten und schlimmstenfalls durch die individuelle Berichterstattung zu den KAMs eine ungewollte Reaktion am Kapitalmarkt ausgelöst wird. Deshalb ist von den formulierenden Prüfern Fingerspitzengefühl gefordert, möglichst klare und einfache Formulierungen zu wählen und zwischen den Informationsbedürfnissen der Aktionäre und dem Schutzbedürfnis der geprüften Gesellschaften abzuwägen. Zudem sollten IR-Manager nach Möglichkeit frühzeitig in den Prozess einbezogen werden, um die aus dem erweiterten Bestätigungsvermerk resultierenden Fragen zu antizipieren und intensiv erläutern zu können. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Bilanzleser nach Details zu den diskutierten Key Audit Matters fragen werden – spätestens in der HV.
Neue Partner für IR
Es bleibt abzuwarten, wie die neue Regelung die Berichterstattung und die Kommunikation mit den Akteuren des Kapitalmarktes beeinflussen wird. In jedem Falle kommen für alle Beteiligten am Abschlusserstellungsprozess neue Aufgaben zu. Für die tägliche IR-Arbeit und insbesondere für die Vorbereitung der HV werden Accounting und WP zukünftig wichtige Partner.