Die Praktische Umsetzung des ARUG im Internet
Neue Anforderungen an Unternehmenswebsite und Investor Relations
Durch das seit Ende Oktober 2009 geltende Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) hat das Aktiengesetz (AktG) wesentliche Änderungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Praxis erfahren. Vor allem rund um die Hauptversammlung (HV) sind von Aktiengesellschaften zahlreiche neue Vorschriften zu beachten. Gleichzeitig werden das Internet und die Unternehmenswebsite zum zentralen Medium für den Informationsaustausch zwischen den Aktionären und der Gesellschaft definiert. Im Folgenden soll schwerpunktmäßig zu den Auswirkungen des ARUG auf die Pflichten zur Veröffentlichung im Internet eingegangen werden. Zusätzlich wird die Möglichkeit der Online-HV kritisch beleuchtet und praktisch gewertet.
Die Unternehmenswebsite vor der HV
Grundsätzlich empfiehlt es sich, am besten in der Rubrik Investor Relations, einen separaten HV-Bereich anzubieten, der idealerweise ab dem Zeitpunkt der HV-Veröffentlichung von der Startseite aus per Direktlink erreicht werden kann. Nach der Einberufung zur HV müssen laut § 124a AktG folgende Dokumente auf der Internetseite der Gesellschaft „alsbald“ veröffentlicht sein:
- Inhalt der Einberufung
Im regulierten Markt notierte Gesellschaften müssen neben Firma und Sitz der Gesellschaft sowie Zeit und Ort der HV künftig auch die in § 121 Abs. 3 zusätzlich geforderten Angaben in der Einladung zur Hauptversammlung aufführen. Bei unterlassenen oder nur unvollständigen Angaben sind alle in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse im Wege der Anfechtungsklage angreifbar. - Erläuterung, wenn zu einem Gegenstand der Tagesordnung kein Beschluss gefasst werden soll.
Darunter fallen z.B. Vorlage des Jahresabschlusses, Anzeige über den Verlust der Hälfte des Grundkapitals nach § 92 Abs.1 AktG oder die konsultative Abstimmung zur Vorstandsvergütung („Say on Pay“). - Unterlagen, die der Versammlung zugänglich zu machen sind.
Dazu zählen vor allem die Abschlussunterlagen sowie ggf. eingehende Gegenanträge oder Wahlvorschläge. Ebenso weitere Unterlagen gemäß Tagesordnung, wie z.B. Unternehmensverträge oder Unterlagen zu Nachgründungen, Vermögensübertragungen, Eingliederung, Squeeze-out, Verschmelzung, Formwechsel. - Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte zum Zeitpunkt der Einberufung, einschließlich getrennter Angaben zur Gesamtzahl für jede Aktiengattung.
- Formulare, die bei Stimmabgabe durch Vertretung oder bei Stimmabgabe per Briefwahl zu verwenden sind, sofern diese Formulare den Aktionären nicht direkt übermittelt werden.
Dabei kann es sich auch um ein interaktives Online-Formular handeln. - Gegebenenfalls Minderheitsverlangen von Aktionären (§ 122 Abs.2 AktG).
Im Sinne guter Investor Relations sollten den Aktionären zudem weitere Informationen angeboten werden, z.B. eine Anfahrtsbeschreibung zum HV-Ort und die Kontaktdaten eines Ansprechpartners bei der Gesellschaft. Große Unternehmen etablieren dazu nicht selten eine Hotline unterstützt durch ein Call Center.
Der Gesetzgeber gewährt mit der vagen Zeitangabe „alsbald“ Spielräume. Praktisch sinnvoll ist es aber, die erforderlichen Unterlagen bereits am Tag der Veröffentlichung der Einladungsbekanntmachung im Internet bereitzustellen.
Die Nutzung des Internets während der HV
Neben den bereits unter 3) erwähnten Unterlagen sind während der HV auch das Teilnehmerverzeichnis und Nach – träge zum Teilnehmerverzeichnis zugänglich zu machen. Für alle Unter la gen ist die physische Auslage nicht mehr zwingend erforderlich, wenngleich empfohlen. Grundsätzlich ist das „Zugänglichmachen“, z.B. über Terminals, ausreichend. Es stellt sich jedoch für das Unternehmen die Frage nach dem Standort innerhalb des HV-Lokals oder die erforderliche Anzahl. Schließlich kann ein Streit um den Platz vor dem Bildschirm nicht nur zuhause, sondern auch in der HV zu ungewünschter Unruhe führen. Das ARUG erlaubt die Bild- und Tonübertragung der HV, wie seit Längerem unter Punkt 2.3.4. im Deutschen Corporate Governance Kodex gefordert. Um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Aktionäre zu gewährleisten, sollte auf die Übertragung explizit – am besten bereits in der Einberufung – hingewiesen werden.
Die Online-HV
Mit 25 teilnehmenden Aktionären gab es bei der dänischen VP Securities A/S am 16. April 2009 die erste „echte“ Online-HV (siehe HV Magazin 3/2009, Seite 49). In Deutschland bleibt die Präsenz-HV weiterhin Pflicht. Allerdings eröffnet der neue § 118 Abs. 1 AktG die Möglichkeit, dass die Aktionäre an der HV „… auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können“. In der vergangenen HV-Saison haben dies bisher nur zwei DAX-Unternehmen in die Satzung aufgenommen: Münchener Rückversicherung-Gesellschaft AG (Satzung § 7) und Allianz SE (Satzung § 12.6). (Zur Umsetzung bei der Allianz siehe Seite 22–23) Generell sollte bei einer positiven Entscheidung zur Online-HV über die Vorstandsermächtigung vor allem der Umfang der gewährten Verwaltungsrechte geregelt werden. Dazu zählt z.B. das Stimmrecht ggf. mit Begrenzungen zur Anzahl der Fragen oder Anzahl der Zeichen pro Frage, Widerspruchsrecht und damit Anfechtungsrecht, Rede- und Fragerecht sowie Antragsrechte. Aber auch das technische Verfahren (z.B. Internet, Video- oder Telefonkonferenz) und dessen Umsetzung unter Berücksichtigung der geforderten Sicherheitsstandards sind vorab zu definieren.
Die Unternehmenswebsite nach der HV
Innerhalb von sieben Tagen nach der HV müssen börsennotierte Gesellschaften die festgestellten Abstimmungsergebnisse wie in § 130 Abs. 2 AktG beschrieben auf der Internetseite veröffentlichen
Fazit
Die nach Inkrafttreten des ARUG seit 1.11.2009 veröffentlichten Einladungen zur Hauptversammlung berücksichtigen großteils die neuen Anforderungen. Noch gibt es keine praktischen Erfahrungen bei der Umsetzung der Online-HV. Die First Mover aus der DAX-Riege werden dabei vermutlich den ersten HV-Standard setzen, der als Orientierung für andere Unternehmen dienen wird. Da in der kommenden HV-Saison bei den meisten Aktiengesellschaften erst die Satzungen angepasst werden müssen, ist die praktische Umsetzung ohnehin erst 2011 relevant. Bis dahin beschäftigen sich die HV-Dienstleister mit Lösungen zur Realisierung der Online-HV und die Berufsopponenten mit neuen Ideen zur Ergänzung ihres Geschäftsmodells. Spätestens dann wird sich auch die Rechtsprechung mit den noch offenen Detailthemen befassen.
Aus heutiger Sicht bedeutet die Bevollmächtigung zur Online-Teilnahme an der HV und die Einräumung der Verwaltungsrechte erhöhten technischen und personellen Aufwand und zusätzliche Risiken (z.B. rechtlich, Hacker, Berufsopponenten) für die Gesellschaft. Aus diesem Grund gilt die Empfehlung vor allem für kleinere Gesellschaften: abwarten und beobachten.