Änderung tut Not
Was haben die Aktiengesellschaften in den letzten Jahren nicht alles an gesetzlichen Änderungen ertragen und umsetzen müssen: ARUG, BilMoG, VorstAG, VorstOG, UMAG, EHUG, TUG, WpHG, WpÜG etc. Dazu noch die Anforderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).
Das hatte auch Auswirkungen auf den Aufsichtsrat. Unternehmenskrisen und andauernde Diskussionen um die Neuregelung der Unternehmensüberwachung haben die Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften immer wieder in die Kritik gebracht. Zentraler Punkt der Diskussion war häufig die mangelnde Expertise bei der Ausübung ihrer Kontroll- und Überwachungsfunktion. Die Gesetzgeber haben dieses Problem erkannt und erste Lösungsansätze geschaffen. In Deutschland finden sich die erweiterten Anforderungen an das Überwachungssystem von Unternehmen im DCGK und im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG).
Der Kodex fordert z.B., dass der Aufsichtsrat sich so zusammensetzt, dass seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Durch das BilMoG wurde das Aktiengesetz ergänzt. Danach muss der Aufsichtsrat eines kapitalmarktorientierten Unternehmens mit mindestens einem unabhängigen Mitglied mit Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung, dem sogenannten „Financial Expert“, besetzt sein.
In der Konsequenz bedeutet das für die Unternehmen, dass es schwieriger wird, qualifizierte Aufsichtsräte zu bekommen, wenn die Vergütung nicht angemessen genug ist. Und aufgrund der verstärkten Professionalisierung der Tätigkeit, der höheren Dynamik der Märkte und der zunehmenden Internationalisierung der Unternehmen ist in den kommenden Jahren mit weiter steigenden Bezügen zu rechnen.
Umso mehr verwundert die weithin wenig bekannte Regelung des § 10 Nr. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG), die seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts Gültigkeit hat: „Steuerlich nicht abziehbar sind die Hälfte der Vergütungen jeder Art, die an Mitglieder des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Grubenvorstands oder andere mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragte Personen gewährt werden.“
Diese Sondersteuer auf Aufsichtsratsvergütungen gibt vor allem zu denken, weil sie den Bemühungen des Gesetzgebers zuwiderläuft, die Corporate Governance deutscher Aktiengesellschaften durch eine Stärkung der Aufsichts- und Beratungsfunktion des Aufsichtsrates zu verbessern.
Das Abzugsverbot ist zudem ein Kuriosum im System der steuerlichen Gewinnermittlung, da Aufsichtsratsvergütungen ebenso unstreitig betrieblich veranlasst sind wie Vorstandsvergütungen, die zu 100% steuerlich berücksichtigt werden. Interessanterweise sind von der Regelung die Vergütungen für Beratungsleistungen von Aufsichtsratsmitgliedern im Rahmen von Beraterverträgen nicht erfasst.
Politiker sollten sich überlegen, ob nicht die Summe der Steuerausfälle durch die Abschaffung des § 10 Nr. 4 KStG die volkswirtschaftlichen Kosten durch Insolvenzen bei weitem kompensiert, die durch wenig qualifizierte, schlecht bezahlte, nicht motivierte Aufsichtsräte mit verursacht oder nicht verhindert wurden.
Die Aufsichtsratstätigkeit von heute ist anspruchsvoll. Es ist Zeit für die Verantwortlichen, die seit fast 40 Jahren geltende steuerliche Regelung auf den Prüfstand zu stellen und in Einklang zu bringen mit den Forderungen nach mehr Qualität in den Aufsichtsratsgremien und einer guten Corporate Governance.