(K)ein System aus einem Guss
Regelung des § 10 Nr. 4 KStG gehört auf den Prüfstand
Komplex ist die Tätigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, die im Einklang mit sich stetig wechselnden gesetzlichen Vorschriften stehen muss. Die Grundlagen der Besteuerung sind dagegen fast 40 Jahre alt. Es ergeben sich Zielkonflikte, die mutiges Handeln erfordern.
Aktuelles Urteil
Ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt (Az. 5 U 30/10, siehe auch HV Magazin 1/2011, S. 29) zur Vergabe von Beratungsmandaten an Aufsichtsratsmitglieder wirft ein Schlaglicht auf die Problematik der Honorierung von Organen von Aktiengesellschaften. Im entschiedenen Fall war ein Rechtsanwalt jahrelang als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender für ein börsennotiertes Unternehmen tätig. Der Aufsichtsrat hatte an ihn und seine Kanzlei Beratungsverträge vergeben, die entsprechenden Zahlungen erst nachträglich genehmigt. Diese Vorgehensweise ist zwar in vielen Unternehmen Praxis, aber unrechtmäßig, wie die Richter urteilten. Nach deren Ansicht verstießen die Zahlungen gegen das in § 114 Aktiengesetz (AktG) normierte Verbot, ohne wirksamen (Dritt-)Vertrag Zahlungen an ein Aufsichtsratsmitglied zu leisten. Es sei sogar unerheblich, wenn im Vorhinein dem Vorstand vom Aufsichtsrat ein Jahresbudget für derartige Mandate zugeteilt würde, denn § 114 AktG verlange die Zustimmung im Einzelfall. Das Urteil ist umstritten, denn jedenfalls aus § 114 AktG folgt nicht, dass ein Fehlverhalten nicht durch eine nachträgliche Genehmigung geheilt werden könnte. Dennoch sollten Kanzleien, deren Anwälte in Aufsichtsratsgremien sitzen, vor Annahme des Mandats eine Gremienentscheidung einholen, um nicht in rechtlich unsicheres Fahrwasser zu geraten.
Honorierung und Expertise
Die Tätigkeit der Aufsichtsräte ist komplex und bedarf stetiger Wachsamkeit nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer persönlichen Haftung — ein Risiko, das sich im Laufe der vergangenen Jahre permanent erhöht hat. So haben Unternehmenskrisen und andauernde Diskussionen um die Neuregelung der Unternehmensüberwachung die Aufsichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften immer wieder in die Kritik gebracht. Zentraler Punkt der Diskussion war häufig deren mangelnde Expertise bei der Ausübung ihrer Kontroll- und Überwachungsfunktion. Der Regelungsgeber hat mit erweiterten Anforderungen an Glas Überwachungssystem von Unternehmen unter anderem im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) und im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Bi1MoG) reagiert. Der DCKG etwa forciert eine Zusammensetzung des Aufsichtsrats, nach der seine Mitglieder insgesamt über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Über das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurde eine Ergänzung im Aktiengesetz vorgenommen, wonach der Aufsichtsrat eines kapitalmarktorientierten Unternehmens mit mindestens einem unabhängigen Mitglied mit Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung oder Abschlussprüfung, dem sogenannten „Financial Expert“, besetzt sein muss. In der Konsequenz bedeutet dies einerseits wachsende Schwierigkeiten, qualifizierte Mitglieder zu linden, zum anderen müssen diese höher vergütet werden. Allein bei den Kontrolleuren der DAX-Werte stiegen die Bezüge 2010 gegenüber dem Vorjahr um mehr als 20% auf durchschnittlich etwa 262.000 EUR für einen AR-Vorsitzenden.
Immense Zielkonflikte
Es ergeben sich Zielkonflikte, die für die Unternehmen kaum aufzulösen sind: Aufsichtsräte verlangen eine höhere Vergütung wegen der gestiegenen Verantwortung und des damit wachsenden Risikos. Gleichzeitig steigen die Weiterbildungskosten. Aufsichtsräte bilden sich etwa vermehrt zum „Financial Expert“ fort, wollen diese Kosten natürlich vom Unternehmen ersetzt bekommen. Wegen der verschärften Haftungsregelungen steigen die Beiträge der D&O-Versicherung, die von der Gesellschaft als Nebenleistung und damit als Vergütungsbestandteil zu übernehmen sind, soweit dies die Satzung vorsieht. Während die Öffentlichkeit erwartet, dass Aufsichtsräte eine wirksame Kontrolle ausüben, aber argwöhnisch auf gezahlte Vergütungen schaut, sehen sich die Organe mit immer neuen Vorschriften und Haftungsrisiken konfrontiert bei steigenden Auslagen. Die Gesellschaften sind dagegen gehalten, möglichst geringe Vergütungen zu bezahlen. Dazu bürdet ihnen der Gesetzgeber durch steuerliche Regelungen im Zusammenhang mit der Honorierung zusätzliche Lasten auf. Folge: Gestaltungsspielräume werden ausgereizt, rechtliche Grauzonen entstehen. Hierzu gehören auch Beraterverträge für Aufsichtsratsmitglieder, die aus mehreren Gründen geschlossen werden: Zunächst geht es darum, benötigte Expertise für Entscheidungsgrundlagen zu erhalten, die außerhalb der geschuldeten Tätigkeit der Mitglieder liegen, so hat es der BGH bereits klargestellt. AR-Vergütung und Beratungshonorar unterliegen jedoch auch einer für das Unternehmen erheblich unterschiedlichen Besteuerung; Beratungshonorare werden gewährt, um eine angemessene Honorierung der Gesamttätigkeit zu erreichen, die steuerlich nicht so stark zu Buche schlägt wie die normale Vergütung.
Steuerliches Abzugsverbot
Das reguläre Salär teilt sich in der Regel in feste sowie kurz- und langfristig variable Vergütungskomponenten auf. Honorare im Rahmen von Beraterverträgen müssen dagegen nicht aufgeteilt werden und unterliegen einer anderen Besteuerung. Dies liegt an § 10 Nr. 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG), der seit den 70er. fahren des letzten Jahrhunderts Gültigkeit hat. Darin heißt es: „Steuerlich nicht abziehbar sind die Hälfte der Vergütungen jeder Art, die an Mitglieder des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Grubenvorstands oder andere mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragte Personen gewährt werden.“ Das Abzugsverbot ist ein Kuriosum im System der steuerlichen Gewinnermittlung, da Aufsichtsratsvergütungen ebenso unstreitig betrieblich veranlasst sind wie Vorstandsvergütungen, die zu 100% steuerlich berücksichtigt werden. Von der Regelung nicht erfasst sind allerdings die Vergütungen für Beratungsleistungen von Aufsichtsratsmitgliedern. Und damit öffnet sich das Einfallstor, das Unternehmen für sich nutzen, um einerseits die geforderten Honorare zu bezahlen, andererseits darauf nicht noch satte Steuern entrichten zu müssen.
Obwohl die systemwidrige Besteuerung die Bemühungen des Gesetzgebers konterkariert, die Corporate Governance deutscher Aktiengesellschaften durch eine Stärkung der Aufsichts- und Beratungsfunktion des Aufsichtsrates zu verbessern, laufen entsprechende Initiativen wie etwa des Deutschen Aktieninstituts (DAI) oder auf Ministerialratsebene im Bundesministerium der Justiz regelmäßig ins Leere. Gleichzeitig werden die Unternehmen und Kontrollorgane allein gelassen bei der Lösung der Probleme, die sich aus den kaum in Deckung zu bringenden gesetzlichen Anforderungen, Aktionärsinteressen und Ansprüchen der Aufsichtsräte ergeben. Gefordert ist daher mutiges Handeln der politischen Entscheidungsträger zur Abschaffung des Abzugsverbots aus § 10 Nr. 4 KStG und Auflösen der Zielkonflikte im Gesamtsystem Unternehmen, Kontrollorgane und Honorierung.