Zeigen, wie gut man ist – Die Wissensbilanz als Kommunikationsinstrument
Deutschland hat als Produktionsstandort entscheidende Vorteile: Qualitätsarbeit, Innovation, gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter. Auf Grund von permanenten Änderungen durch Globalisierung, Technologisierung und kürzer werdenden Produktlebenszyklen ist der Wissensvorsprung oft der einzige Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz. Aber wie soll man diesen Wissensvorsprung systematisch darstellen?
Die Wissensbilanz taucht als Begriff erstmals Mitte der 90er Jahre auf. Im Gegensatz zur klassischen Bilanz zeigt eine Wissensbilanz keine Finanzkennzahlen, sondern sie erfasst, bewertet und entwickelt systematisch das intellektuelle Kapital eines Unternehmens. Unter Berücksichtigung von wettbewerbswichtigem Wissen werden die Zusammenhänge zwischen den organisationsbedingten Zahlen, den Geschäftsprozessen, dem intellektuellen Kapital sowie dem Geschäftserfolg einer Organisation aufgezeigt.
Human-, Beziehungs- und Strukturkapital
Die Wissensbilanz ist untergliedert in Humankapital, Beziehungskapital und Strukturkapital. Das Humankapital umfasst die Kompetenzen, Fertigkeiten und Motivation der Mitarbeiter. Es ist somit im Besitz der Mitarbeiter, und diese können ihr Wissen nach Hause bzw. auch zum nächsten Arbeitgeber mitnehmen. Als Beziehungskapital bezeichnet man die Beziehungen mit Kunden und Lieferanten, Partnern und der Öffentlichkeit. Strukturen und Prozesse, die Mitarbeiter benötigen, um in der Gesamtheit produktiv und innovativ zu sein, umfassen das Strukturkapital. Es besteht aus all jenen Strukturen, die bestehen bleiben, auch wenn Mitarbeiter das Unternehmen verlassen.
Die Zielgruppen
Die Wissensbilanz richtet sich vor allem an kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie andere Organisationsformen mit vergleichbaren Strukturen. Vor allem diese Unternehmen haben es schwer, ihren Wert über externe Ratings zu objektivieren und ihr Potenzial nach außen darzustellen. Aber auch multinationale Unternehmen erstellen Wissensbilanzen. Beispielsweise veröffentlicht die EnBW AG seit 2005 ihre Erkenntnisse aus der Wissensbilanz im jährlichen Geschäftsbericht.
Ziele
Ziel der Wissensbilanz ist es, ganzheitlich immaterielle Faktoren und deren Zusammenspiel strukturiert darzustellen und zu bewerten. Intern dient sie zur Steuerung von Projekten und zur Verbesserung des intellektuellen Kapitals. Als externes Mittel dient sie zur Kommunikation mit Stakeholdern wie Geschäftspartnern, Aktionären und Geldgebern, um die Leistungsfähigkeit des Unternehmens mit besonderem Blick auf nicht bilanzierte, immaterielle Werte darzustellen.
Erstellen einer Wissensbilanz
Die Erstellung einer Wissensbilanz erfolgt in der Regel durch einen mehrtägigen Workshop. Dieser besteht aus Personen aus allen Hierarchieebenen und Geschäftsbereichen, die einen Querschnitt des Unternehmens repräsentieren. Hier werden die rund 500 Punkte der Wissensbilanz eingeschätzt und für das Unternehmen individuell bewertet. Basis für diese Bewertung ist immer die Unternehmensstrategie. Alle Punkte werden prozentual bewertet und begründet. Darüber hinaus werden die Wechselwirkungen dieser Faktoren sowie deren Bedeutung für das Unternehmen transparent gemacht. Zuletzt wird eine Diagnose erstellt, um Maßnahmen und eine Strategie abzuleiten, die das Unternehmen in Zukunft effizienter und erfolgreicher aufstellen sollen.
Nutzen einer Wissensbilanz
Die Erkenntnisse und Ergebnisse einer Wissensbilanz haben für ein Unternehmen vielseitigen Nutzen. Durch eine erhöhte Transparenz über das vorherrschende Wissen und die Kompetenzen im Unternehmen werden Innovations- und Verbesserungspotenziale aufgedeckt und eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die zukünftige Organisationsentwicklung gelegt. Die Wissensbilanz ist damit ein strategisches Frühwarnsystem für die Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegensatz zur klassischen Bilanz, die vergangenheitsorientiert überwiegend materielle Vermögenswerte abbildet, stellt die Wissensbilanz das intellektuelle Kapital in strukturierter Form dar, zeigt die erwartete Zukunft auf und gibt Aussagen über die Ertrags- und Innovationskraft eines Unternehmens. Wie empirische Untersuchungen mit Blick auf die Kreditvergaberichtlinien des Basel II Abkommens belegen, bilden die ergänzenden Angaben zur traditionellen Rechnungslegung eine verbesserte Verhandlungsgrundlage mit Kapitalgebern und helfen vor allem, für innovative und risikoreiche Investitionen die Kapitalkosten zu senken.
Wissensbilanz und Investor Relations
Anlageentscheidungen von Investoren basieren nicht nur auf wirtschaftlichen Kennzahlen. Ähnlich den Entwicklungen der letzten Jahre zu den Themen „Corporate Governance“ und „Corporate Social Responsibility“ werden Wissensbilanzen in der Zukunft auch für den Bereich Investor Relations zunehmend eine Rolle spielen. Noch steckt das Know-how um dieses Thema in den Kinderschuhen. Wenn aber die Kapitalmarktteilnehmer die Möglichkeiten und Vorteile von Wissensbilanzen für sich entdecken, werden sie voraussichtlich von den Unternehmen vermehrte Transparenz und den strukturierten Ausweis ihrer „soft skills“ fordern. Die Mehrzahl der Anleger wünscht sich schließlich freiwillige Zusatzinformationen, die eine faire Bewertung ihrer Investments unterstützen.
Fazit und Ausblick
Im Rahmen der Globalisierung werden immer mehr deutsche Unternehmen feststellen, dass ihre wesentlichen Produktionsvorteile im internationalen Vergleich bessere Qualität, kompetente Mitarbeiter und ein hohes Innovationspotenzial sind. Wissensbilanzen werden daher in der Zukunft an Bedeutung gewinnen. Transparenz schafft Vertrauen. Und durch das strukturierte Aufzeigen des intellektuellen Kapitals sowie des Innovationspotenzials kann sich ein Unternehmen klar von der Konkurrenz hervorheben, bisher nicht bilanzierte Potenziale gezielt aufzeigen und damit auch die Bewertung am Kapitalmarkt positiv unterstützen.
Weiterführende Informationen zur Wissensbilanz
- Arbeitskreis Wissensbilanz: akwissensbilanz.org
- Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: bmwi.de