Wertpapierprospektgesetz bringt weitere Publikationspflichten für Emittenten
Zur Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie soll zum 1. Juli 2005 das neue Wertpapierprospektgesetz (WpPG) in Kraft treten. Vor allem aus Sicht der Investor Relations-Praxis börsennotierter Unternehmen verdient eine Detailregelung des WpPG besondere Aufmerksamkeit. Zukünftig verlangt das Gesetz von allen Emittenten, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt zugelassen sind, zusätzlich die Erstellung und Veröffentlichung eines jährlichen Gesamtdokuments aller innerhalb des vorangegangenen Jahres nach wertpapierrechtlichen Vorschriften veröffentlichten Informationen der Emittenten.
Inhaltliche Anforderung
Künftig muß jeder Emittent, dessen Wertpapiere an einem organisierten Markt zugelassen sind, mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument zur Verfügung stellen, in dem alle Informationen enthalten sind oder das auf sie verweist, die in den vergangenen zwölf Monaten aufgrund von wertpapierrechtlicher Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt wurden. Zu beachten ist hier besonders, dass die neue Vorschrift sich auf alle Emittenten von Wertpapieren bezieht und nicht etwa nur auf Emissionen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes stattfinden. Damit sind auch diejenigen Emittenten betroffen, die nicht planen, zukünftig Wertpapiere zu begeben, aber dies in der Vergangenheit vertan haben. Ausgenommen sind Emittenten von Nichtdicidendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro. zudem müssen die Wertpapiere, also Dividenden- oder Nichtdividendentitel, an einem organisierten Markt zugelassen sein. Das neue Gesetzt betrifft folglich u.a. alle börsennotierten Kapitalgesellschaften, deren Wertpapiere zum Amtlichen Handel oder Geregelten Markt (Prime Standard und General Standard) zugelassen sind. Insbesondere sind von der Regelung solche Informationen betroffen, die aufgrund der §§ 15, 15a, 25 und 26 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), § 39 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Börsengesetzt (BörsG) in Verbindung mit dem zweiten Kapitel der Börsenzulassungsverordnung und § 42 BörsG in Verbindung mit einer Börsenordnung sowie den entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht wurden.
Damit umfasst das geforderte Gesamtdokument die veröffentlichten Ad hoc-Meldungen, Veränderungen von Stimmrechtsanteilen bzw. Über- oder Unterschreitungen von Meldeschwellen, die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt und weitere Veröffentlichungen aufgrund Zulassungsfolgepflichten gemäß der für den Emittenten gültigen Börsenordnung, also z.B. Quartalsberichte aufgrund der Mitgliedschaft im Prime Standard. Veröffentlichungen zu meldepflichtigen Wertpapiergeschäften (Directors‘ Dealings) sind ebenfalls aufzunehmen, wobei die Berichtspflicht deutlich ausgeweitete wird. Sind nach dem neuen § 15a WpHG bisher lediglich die Transaktionen für mindestens einen Monat auf der Unternehmenswebsite im Internet zu veröffentlichen, so umfassen die Angaben im Gesamtdokument alle meldepflichtigen Geschäfte gemäß § 65 Börsenordnung verpflichtet, mindestens einmal jährlich eine Analystenveranstaltung durchzuführen. Es ist deshalb zu überlegen, ob gegebenenfalls auch eine zu dieser Konferenz erstellte Präsentation in das Dokument aufgenommen werden muß. Zusätzlich ist jeder Emittent verpflichtet, weitere zum Handelsregister anzumeldende Tatsachen oder einzureichende Unterlagen, die er nicht bereits nach den vorgenannten Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat, in das geforderte Gesamtdokument aufzunehmen. Neben den geprüften Jahresabschlüssen handelt es sich dabei im wesentlichen um nicht Ad hoc veröffentlichte Tatsachen, wie z.B. Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen oder Änderungen in der personellen Zusammensetzung des Vorstandes.
Form und Frost der Veröffentlichung
Die Art der Veröffentlichung ist in § 14 Abs. 2 WpPG geregelt und kann in Anlehnung an die Möglichkeiten zur Prospektveröffentlichung auf drei verschiedenen Arten erfolgen:
- in einer oder mehreren Wirtschafts- oder Tageszeitungen, die weit verbreitet sind;
- indem das Dokument in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird: bei den zuständigen Stellen des organisierten Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen sind, bei den Kreditinstituten oder Finanzdienstleistern, die die Wertpapiere plazieren oder verkaufen, bei den Zahlstellen oder beim Emittenten:
- auf der Internetseite des organisierten Marktes, an dem die Wertpapiere zum Handel zugelassen sind, oder der Kreditinstitute oder Finanzdienstleister, die die Wertpapiere plazieren oder verkaufen, oder der Zahlstelle oder des Emittenten.
Das Gesamtdokument ist gemäß § 10 Abs. 2 WpPG nach der Offenlegung des Jahresabschlusses (noch ist offen, ob damit die formelle Offenlegung gemäß § 325 HGB gemeint ist) bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) zu hinterlegen. Enthält das Dokument Verweise auf andere Angaben, ist anzugeben, wo diese zu erhalten sind. Die Frist für die Veröffentlichung des Dokumentes beträgt 20 Werktage ab Veröffentlichung des Jahresabschlusses. Tritt das Gesetz wie geplant zum 1. Juli 2005 in Kraft, so ist von allen Emittenten, deren Bilanzstichtag nach dem 1. Juli liegt und die die geforderten Kriterien erfüllen, erstmalig ein Gesamtdokument für das abgelaufene Geschäftsjahr zu erstellen.
In der Praxis ist zu erwarten, daß sich bei den meisten Emittenten die Veröffentlichung auf der eigenen Internetseite zum Standard entwickelt. Zum einen gewinnst das Medium Internet für die Finanzkommunikation immer mehr an Bedeutung, zum anderen erleichtert diese kostengünstige Form der Veröffentlichung den Zugriff auf Verweisdokumente. Dabei ist davon auszugehen, daß sich das neue, gesetzlich geforderte Dokumente zu einem zentralen Informationsbaukasten entwickeln wird, zusammengefaßt sind. Aus der neuen Verpflichtung ergibt sich für Emittenten damit auch die Chancen, sich hier über eine klar strukturierte und nutzerfreundliche Darstellung auf der unternehmenseigenen Website oder integriert in den Geschäftsbericht vom Wettbewerb zu differenzieren.
Fazit
Mit dem WpPG entstehen nicht nur weitere, wenngleich umfangreiche Veröffentlichungspflichten für den Emittenten von Wertpapieren, sondern es bietet sich auch in die Möglichkeit, durch eine übersichtliche und sinnvolle Darstellung, Aufbereitung und Verknüpfung von Informationen den Informationsgehalt für Interessenten und Investoren deutlich zu verbessern und sich dadurch von anderen Unternehmen am Kapitalmarkt zu differenzieren. Wer die neuen Vorschriften nur als weitere lästige Pflichtaufgabe begreift und dementsprechend umsetzt, beraubt sich unter Umständen eines effektiven Kommunikationsweges.