Jährliches Dokument gemäß WpPG als Vorbote des elektronischen Unternehmensregisters
Rechtsunsicherheit bei den Emittenten
Zum 1. Juli 2005 ist das im BGBl I 2005, 1698, am 22. Juni 2005 veröffentlichte „Gesetz über die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung des Prospekts, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt zu veröffentlichen ist“, kurz Wertpapierprospektgesetz (WpPG), in Kraft getreten. Aus Sicht der Investor Relations-Praxis börsennotierter Unternehmen beinhaltet die in §10 geregelte Verpflichtung zur Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments noch offene Fragen, die sich aus dem Wortlaut des Gesetzes oder der Gesetzesbegründung nicht hinreichend erklären lassen. Das führt bei der Umsetzung in der Praxis zu erheblichen Unsicherheiten. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) plant deshalb, den Emittenten in Kürze eine Auslegungshilfe zur Verfügung zu stellen.
Gesetzliche Anforderungen
Gemäß §10 WpPG muss jeder Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, mindestens einmal jährlich dem Publikum ein Dokument zur Verfügung stellen, in dem alle Informationen enthalten sind oder auf sie verweist, die in den vorausgegangenen zwölf Monaten aufgrund wertpapierrechtlicher Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt wurden. Der Emittent hat das Dokument nach der Offenlegung des Jahresabschlusses bei der BaFin zu hinterlegen. Verweist das Dokument auf Angaben, so ist anzugeben, wo diese zu erhalten sind.
Kreis der Betroffenen
Die neue Vorschrift bezieht sich auf alle Emittenten, deren Wertpapiere an einem geregelten Markt zugelassen sind. Unternehmen, die im Freiverkehr bzw. Open Market, M:access oder Entry Standard notieren, brauchen die Regelung nicht anzuwenden. Obwohl die Gesetzesbezeichnung anderes vermuten lässt, sind auch diejenigen Emittenten betroffen, die nicht planen, zukünftig Wertpapiere zu begeben, aber dies in der Vergangenheit getan haben. Ausgenommen sind Emittenten von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50.000 Euro.
Inhalt des Dokuments
Zu veröffentlichen sind alle Informationen, die aufgrund der §§ 15, 15 a, 25 und 26 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), § 39 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Börsengesetz (BörsG) in Verbindung mit dem zweiten Kapitel der Börsenzulassungsverordnung und § 42 und 54 des BörsG in Verbindung mit einer Börsenordnung, oder den entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt wurden.
Damit umfasst das geforderte Gesamtdokument z.B. die veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen, Veränderungen von Stimmrechtsanteilen bzw. Über- oder Unterschreitungen von Meldeschwellen, Einladung zur Hauptversammlung, Quartals- und Geschäftsberichte sowie Directors’ Dealings. Deutsche Emittenten, die nach US-Recht Informationen veröffentlichen, müssen diese im jährlichen Dokument aufführen.
Obwohl § 10 WpPG erst am 1. Juli 2005 in Kraft getreten ist, sind die betroffenen Emittenten nach aktueller Auffassung der BaFin dennoch verpflichtet, ein jährliches Dokument für alle nach dem 1. Januar 2005 begonnenen Geschäftsjahre zu veröffentlichen und zu hinterlegen. Noch strittig ist die Frage, ob alle im abgelaufenen Geschäftsjahr veröffentlichten Informationen oder alle sich auf das abgelaufene Geschäftsjahr beziehenden Informationen in das Dokument aufzunehmen sind.
Form und Frist der Veröffentlichung
Die Art der Veröffentlichung ist in § 14 Abs. 2 WpPG geregelt und kann in Anlehnung an die Möglichkeiten zur Prospektveröffentlichung auf drei verschiedene Arten erfolgen: in einer oder mehreren Wirtschafts- oder Tageszeitungen, indem das Dokument in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird oder durch Veröffentlichung im Internet.
Die ersten Praxisbeispiele zeigen, dass die meisten Emittenten die kostengünstige Veröffentlichung des jährlichen Dokuments auf der eigenen Internetseite bevorzugen. Dabei ist darauf zu achten, dass es von der Startseite aus leicht auffindbar ist. In der Regel wird dazu ein eigener Menüpunkt in der Navigation generiert.
Eine Veröffentlichung im Internet erleichtert auch den Zugriff auf die Verweisdokumente. Dies kann mit einem integrierten Link zu der betreffenden Information (z.B. PDF-Dokument des Geschäftsberichts oder Link auf Seite mit den Ad-hoc-Mitteilungen) oder per Verweis auf das (Print-) Medium, in dem die Information veröffentlicht wurde, erfolgen. Grundsätzlich empfiehlt sich der folgende Hinweis: „Sollte eine Information nicht an der angegebenen Stelle abrufbar sein, so senden wir Ihnen diese auf Anfrage kostenfrei zu.“ Das jährliche Dokument muss mindestens ein Jahr lang online verfügbar sein. Im Anschluss besteht keine Historisierungspflicht.
Die Frist für die Veröffentlichung des Dokuments ist geregelt in Artikel 27 Abs. 2 der Verordnung der Europäischen Kommission zur Durchführung der Prospektrichtlinie (Nr. 809/2004) und beträgt 20 Werktage ab Veröffentlichung des Jahresabschlusses. Das Gesamtdokument ist gemäß §10 Abs. 2 WpPG nach der Offenlegung bzw. der Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Internet bei der BaFin zu hinterlegen. Die BaFin erwartet einen Ausdruck der Website (ohne die Anlagen), der postalisch oder per Fax zu übermitteln ist. Eine eMail mit Angabe des Internet-Links genügt nicht.
Elektronisches Unternehmensregister im Aufbau
Die Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Dokuments kann als Teil einer transparenzorientierten Initiative der Bundesregierung gesehen werden. Mit Inkrafttreten der Aktionärsforumsverordnung (AktFoV) hat am 1. Dezember 2005 das elektronische Aktionärsforum seine Arbeit aufgenommen. Insbesondere Kleinaktionären wird dadurch die Durchsetzung ihrer Interessen erleichtert. Der Gesetzgeber plant, das Aktionärsforum ab 1. Januar 2007 mit einem elektronischen Unternehmensregister (online abrufbar unter www.unternehmensregister.de) zu verknüpfen, über das sich Aktionärsaufforderungen und alle publizitätspflichtigen Daten eines Unternehmens zentral und gebündelt einsehen lassen. Hierzu hat das Bundeskabinett am 14. Dezember 2005 den Entwurf eines Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie Unternehmensregister (EHUG) verabschiedet. Den Entwurf des Gesetzes finden Sie auf der Website des BMJ (www.bmj.de). Damit sollen nicht nur europarechtliche Vorgaben (z.B. die Richtlinie 2003/58/EG zur Änderung der 1. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie und die Transparenzrichtlinie) sowie Beschlüsse der Regierungskommission Corporate Governance umgesetzt, sondern auch ein Beitrag zur Entlastung von Bürokratie und zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren geleistet werden. Mit dem Unternehmensregister wird ein wesentlicher Teil von Unternehmensdaten, deren Offenlegung von der Rechtsordnung vorgesehen ist, zentral zusammengeführt und somit die Transaktionskosten bei der Informationsbeschaffung wesentlich gesenkt. Dies trägt zu der von der EU geforderten und von der Wirtschaft angeregten Verbesserung der Publizität von Unternehmensinformationen bei, da Interessierte dann diese Daten strukturiert und homogen online einsehen und recherchieren können. Heute müssen sich Analysten und Investoren, Geschäftspartner und Verbraucher die Informationen über ein Unternehmen aus verschiedenen Quellen, etwa dem Handelsregister, dem gedruckten oder elektronischen Bundesanzeiger, den Ad-hoc-Mitteilungen der Unternehmen, den Beteiligungsdatenbanken der BaFin sowie den Börsenpflichtblättern, zusammensuchen. Zuständig zur Registerführung bleiben die Amtsgerichte. Anderes soll für die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse gelten: Für diese soll künftig der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers zuständig sein. Die verpflichtende Bekanntmachung in Tageszeitungen wird – nach einer Übergangszeit – entfallen.
Fazit
Transparenz schafft Vertrauen. Diesem Grundsatz scheint sich auch der Gesetzgeber verpflichtet. Mit dem WpPG und der Anforderung eines jährlichen Dokuments entstehen nicht nur weitere Veröffentlichungspflichten für Emittenten, es bietet sich auch die Möglichkeit, durch eine übersichtliche und sinnvolle Darstellung, Aufbereitung und Verknüpfung von Informationen den Informationsgehalt für Interessenten und Investoren deutlich zu verbessern und sich dadurch kapitalmarktorientiert und offen zu präsentieren. Wer unumgängliche gesetzliche Anforderungen als Chance begreift, kann den Ersteffekt nutzen, sich von der Masse der Mitbewerber um Investorengelder zu differenzieren