Socially Responsible Investment, Sustainability, Corporate Governance
Neue Studie belegt: Chancen für Investor Relations noch kaum beachtet
Immer mehr professionelle Investoren berücksichtigen sogenannte Soft Facts bei ihren Anlageentscheidungen. Dabei etablieren sich zunehmend Kriterien, die auf Nachhaltigkeit abzielen. Aktuelle Studien zeigen, dass bereits ein Zehntel aller Geldanlagen der USA, d.h. knapp 1.850 Mrd. Euro, vom Gedanken des „Socially Responsible Investing (SRI)“ beeinflusst sind. Immer mehr Investmentfonds greifen diesen Trend auf. Aus gutem Grund: Die Berücksichtigung von weichen Faktoren produziert im Ergebnis auch „Hard Facts“. So hat der Dow Jones Sustainability-Index den MSCI World-Index im direkten Vergleich über die letzten 10 Jahre deutlich geschlagen. Trotzdem halten sich deutsche Unternehmen in der internationalen Debatte um SRI noch sehr zurück. Dominiert wird das Feld von amerikanischen, britischen und skandinavischen Unternehmen. Noch ist SRI in Deutschland eine Nische. Aber sie wächst sehr schnell. Im Wettbewerb um Investorengelder sollten sich deshalb Investor Relations-Manager deutscher Unternehmen zukünftig intensiv mit der Thematik auseinandersetzen. Denn wie die aktuelle Studie beweist, werden die Chancen bei der IR-Arbeit kaum beachtet.
Marktübersicht
Die bekanntesten institutionellen „socially responsible“- Investoren sind die britische Hermes Pensions Management Limited (verwalten ca. 87 Mrd. Euro) und der California Public Employees Retirement System (CalPERS) in den USA, mit 165 Mrd. Euro investiertem Vermögen einer der weltweit größten Investmentfonds. In Deutschland sind mehr als 120 nachhaltige Investmentfonds mit einem Volumen von ca. 8 Mrd. Euro zugelassen. In Europa sind es fast 400 Publikumsfonds mit 25 Mrd. Euro Volumen. Inzwischen haben sich auch Researchhäuser auf das Thema spezialisiert. Neben der Innovest-Gruppe und der amerikanischen Institutional Shareholder Services (ISS), Inc., sind dies die SAM Group Holding AG und SiRi Company Ltd. Die bekanntesten Indices für Socially Responsible Investments sind der FTSE4Good-Index bzw. der Dow Jones Sustainability Index (DJSI).
Begriffsbestimmungen
Corporate Governance (CG), Corporate Social Responsibility (CSR), Sustainability (Sust.) und Socially Responsible Investment (SRI) sind Begriffe, die in den umfangreichen Fragebögen der Lobbygruppen regelmäßig vorkommen. Wie die Begriffe zueinanderstehen, soll im Folgenden kurz veranschaulicht werden: Unter Corporate Governance versteht man die verantwortliche, auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtete Unternehmensleitung und -kontrolle. Corporate Social Responsibility steht für die von Unternehmen freiwillig und bewusst übernommene Verantwortung für das Gemeinwesen, die sich aus der Philosophie und Kultur eines Unternehmens herleitet. Sustainability (=Nachhaltigkeit) bezieht die langfristigen Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten in die Effektivitätsbilanzen mit ein. Der Ansatz des Socially Responsible Investments analysiert das Unternehmen anhand der o.g. Begriffe und leitet aus den Ergebnissen eine Investitionsentscheidung ab.
Berichterstattung
Mit dem Ziel, weltweit anerkannte Richtlinien zur Aktualität, Transparenz und Überprüfbarkeit von Informationen zur Nachhaltigkeit des Unternehmenserfolgs zu entwickeln und zu implementieren, wurde 1997 die Global Reporting Initiative (GRI) als unabhängiges Institut gegründet. Diese Richtlinien gelten für Unternehmen und Institutionen auf freiwilliger Basis und umfassen Vorgaben zur Veröffentlichung von wirtschaftlichen, umweltbezogenen und sozialen Aspekten bezüglich der unternehmerischen Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen. Damit werden Nachhaltigkeitsberichte zumindest in Teilen bewert- und vergleichbar. Seit Erscheinen der ersten Reporting Guidelines in 2002 hat GRI einen Prozess für die stetige Aktualisierung und Verbesserung entwickelt. Aktuell läuft die Konsultationsphase für die umfassenden geplanten Änderungen. Im Oktober 2006 werden die neuen Richtlinien, genannt „G3“, vorgestellt. Aktuell berichten folgende acht Unternehmen aus dem Dax30 nach den Kriterien der GRI: adidas-Salomon, BASF, BMW, DaimlerChrysler, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Henkel und Volkswagen.
Antworten der IR-Abteilungen
In einem ersten Schritt wurde untersucht, welchen Stellenwert die Begriffe Corporate Governance (CG), Corporate Social Responsibility (CSR), Socially Responsible Investment (SRI) und Sustainability (Sust.) für gute IR-Arbeit haben. Im Ergebnis wird allen vorgegebenen Themen durchgängig eine hohe Bedeutung für die Investor Relations-Arbeit attestiert. Deutlich etabliert hat sich inzwischen das Thema Corporate Governance. Es wurde von allen 24 teilnehmenden Unternehmen tendenziell als „wichtig“ eingestuft. Dahinter rangieren Sustainability und SRI, die von 20 bzw. 18 Unternehmen als tendenziell wichtig identifiziert werden. Gemäß den erhaltenen Angaben haben inzwischen zwei Drittel der Dax-Unternehmen innerhalb der IR-Abteilung einen festen Ansprechpartner für die hier genannten Themen installiert. Darüber hinaus registriert die Mehrheit der IR-Verantwortlichen während der letzten sechs Monate eine steigende Anzahl von Anfragen zu den genannten Themen, allen voran zu Socially Responsible Investment (SRI). Die inhaltliche Verantwortung von Anfragen zu den Themen obliegt unterschiedlichen Fachabteilungen. Verantworten die CG-Themen häufig die unternehmenseigene Rechtsabteilung bzw. das Corporate Center, ist dies bei CSR und Sustainability eine eigene CSR-Abteilung gegebenenfalls in Kombination mit der Kommunikations- oder Human Resources-Abteilung. Eindeutig ist die verantwortliche Zuordnung von SRI. Darum kümmern sich mehrheitlich Investor Relations, in Einzelfällen auch die CSR-Abteilung. Banken leisten sich vereinzelt sogar eine eigene SRI-Abteilung. Für die Kommunikation aller Themen nach außen sind Investor Relations neben CSR- oder Kommunikations-Abteilung der wesentliche Kommunikationskanal.
Internetauftritt
Da immer mehr Zielgruppen von Investor Relations, allen voran Analysten und Investoren, verstärkt das Internet als Informationsmedium nutzen, wurde auch das Informationsangebot zu den betreffenden Themen bei allen 30 Dax-Unternehmen kritisch durchleuchtet. Insbesondere wurde untersucht, ob separate Links zu den einzelnen Themen angeboten werden, die Schlagworte mit der angebotenen Suchfunktion verknüpft sind und Definitionen zu den einzelnen Begriffen vorhanden sind. Aufgrund der festgestellten Wichtigkeit der untersuchten Themen wurde eine entsprechende Würdigung auch im Bereich Investor Relations auf den Unternehmenswebsites erwartet. Das Ergebnis der Untersuchung überrascht allerdings: Obwohl die Kommunikation bei nahezu allen Dax-Unternehmen wesentlich über die IR-Abteilung läuft, ist dies mit Ausnahme des Themas Corporate Governance (CG) auf den IR-Internetseiten noch nicht ausreichend gewürdigt. Es gibt nur sehr wenige IR-Seiten, die einen separaten Link zu CSR, SRI oder Sustainability anbieten. Das Thema SRI, von der Mehrheit der befragten Unternehmen als wichtig eingestuft, wird lediglich bei einem IR-Internetauftritt integriert. Bezieht man den gesamten Unternehmensauftritt im Internet mit ein, zeigt sich, dass sämtliche Dax-Unternehmen einen eigenen Link zu CG anbieten, aber nur vier eine Rubrik SRI. Sucht man in den angebotenen Suchmaschinen nach den Begriffen CG, CSR, SRI und Sustainability sowie den entsprechenden Ableitungen dazu, sind die Ergebnisse oft sehr ernüchternd. Nur 40 % der Dax-Unternehmenswebsites liefern bei der Suche nach CG-Inhalten ein zutreffendes Ergebnis. Nimmt man die Suchergebnisse aller Unternehmen, waren 60 % der Suchtreffer zu CG zutreffend. Am wenigsten Erfolg hat man bei der Suche nach SRI, was aufgrund der fehlenden Inhalte auch nicht verwundert. Durchsucht man darüber hinaus die Internetauftritte der Dax-Unternehmen nach Begriffsdefinitionen, so wird deutlich, dass sich Corporate Governance (CG) bei den Inhalten der Unternehmenswebsites inzwischen fest etabliert hat. Knapp 87 % der Unternehmen geben eine Definition des Begriffes. Auch Inhalte zu Sustainability und CSR werden mehrheitlich erklärt. Auffallend ist das Defizit bei SRI. Nur die vier Unternehmen, die SRI als Inhalt anbieten, definieren auch, was sie darunter verstehen.
Fazit
Anleger können kaum noch die komplexe Welt der Ethik bei Investitionen missachten und orientieren sich bei ihren Geldanlagen verstärkt an den Kriterien des Socially Responsible Investments. Diese Entwicklung haben auch die IR-Abteilungen der 30 Dax-Unternehmen erkannt. Sie stufen Corporate Governance, Corporate Social Responsibility, Sustainability und Socially Responsible Investment als wichtige Themen für ihre Arbeit ein. Aber nur bei Corporate Governance spiegelt sich diese Einschätzung in der täglichen IR-Arbeit und der Umsetzung auf den Unternehmens-Websites wider. Die anderen Themen werden, wie die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, eher stiefmütterlich behandelt. Vor allem Socially Responsible Investment wird, obwohl als wichtig eingestuft, von den IR-Abteilungen der Dax-Unternehmen nahezu ignoriert. Hier werden Chancen für eine klare Positionierung vergeben. Noch dazu, wo sich institutionelle Investoren verstärkt dafür interessieren. Für die IR-Verantwortlichen gibt es zukünftig auf diesem Gebiet noch viel zu tun.